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Über Höhen und Tiefen: Die Karwendel-Durchquerung

Mit einer Gruppe von fünf Leuten starten wir die Große Karwendel-Duchquerung – meine erste mehrtägige Hüttentour in den Bergen und mein erster Besuch in den Alpen seit über zehn Jahren.

Die Jungs kommen aus Frankfurt und wir zwei Mädels sind aus Passau c.a. 350km bis Mittenwald (D) angereist, um dann gemeinsam zum Startpunk der Tour nach Pertisau (A) zu fahren. Pertisau ist ein kleiner, zwar sehr touristischer, aber wunderschön gelegener Ort am Achensee.

Morgengrauen am Achensee in Pertisau

Morgengrauen am Achensee in Pertisau

Tag 1 im Karwendel: Aufstieg zur Lamsenjochhütte

Die Jungs ließen sich natürlich nicht die Gelegenheit entgehen, den Tag im türkisblauen Wasser zu beginnen. Nach ausgiebigem Frühstück ging dann die Wanderung los. Anfangs gleichte es vielmehr einem angenehmen Spaziergang durch den Wald und über Wiesen. Dass es noch anstrengend werden würde, wussten wir, denn es standen uns schließlich 1000 Höhenmeter am heutigen Tag bei brühender Hitze bevor.

Aufstieg zur Lamsenjochhütte im Karwendel

Aufstieg zur Lamsenjochhütte

 

Schweißtreibend wurde es dann mit dem Verschwinden der üppigen Vegetation. Viel Gestein und Geröll erschwerten den Aufstieg, den wir aber Stück für Stück gut meisterten. Auf 1953m wurde wir bei der Ankunft an der Lamsenjochhütte mit einer traditionellen Blaskapelle und Wirten in Trachten begrüßt. Ein perfekter Empfang, wie aus einem Tiroler Bilderbuch – und zum richtigen Zeitpunkt. Denn nachdem wir noch eben die letzten Sonnenstrahlen abbekommen und im Lager eingecheckt haben, wütete auch schon ein heftiges Gewitter. Wie das in den Bergen so ist – die Wolken kommen und gehen, und so ließ sich später auch noch einmal die Sonne blicken, bevor sie sich dann schließlich für die nächsten zwei Tage komplett verabschiedete. Mein persönliches Highlight des Tages: Fragt mich der Alex nach der FC Köln Hymne, kaum fange in an zu singen, taucht auch schon der Steinbock neben dem Gipfelkreuz auf. Ein Bild für die Götter, oder zumindest für jeden Kölner  🙂

Die Lamsenjochhütte bei Nebel

Die Lamsenjochhütte bei Nebel

Tag 2 im Karwendel: Alles anders als geplant

Irgendwann nachts habe ich das Lagerfenster geschlossen, weil mir ein paar Regentropfen auf die Nase plätscherten. Allerdings habe ich da noch nicht mit dem Schlimmsten gerechnet: Dichter Nebel, Dauerregen und 20°C Temperaturunterschied zum Vortag (immerhin kein Gewitter mehr). Zumindest geht es bei der heutigen Tour erst einmal bergab. Geplantes Ziel: Falkenhütte (1884m) über Eng (1227m).

 

Jause im Karwendel

Jause im Karwendel

Zwei Stunden und eine gute Brotzeit unter dichten Baumkronen später mussten wir leider feststellen, dass wir vor lauter Nebel den falschen Abstieg genommen haben. 700 Höhenmeter runter und wieder rauf und drei Stunden später waren wir dann also wieder am Ausgangspunkt Lamsenjochhütte. Weitere zweieinhalb Stunden später kamen wir triefend nass im Almdorf Eng an und entschieden uns, die Tour für heute abzubrechen.

Bergdorf Eng im karwendel

Bergdorf Eng

 

Stube in Eng im Karwendel

Stube in Eng: Hier haben wir unsere pitschnassen Klamotten getrocknet.

Wir haben uns eine Pension genommen, die wir ganz für uns alleine hatten, mit einem Holzofen in einer süßen Stube. „Mission Klamotten trocknen“ wurde von regionalem Obstler aus dem Bauernladen und geräuchertem Speck begleitet sowie vom ständigen Ohrwurm des Tiroler Volkslieds von der Lamsenjochhütte. Zum Abschluss des Tages gab es noch leckeren Kaiserschmarrn im Wirtshaus nebenan – als Beilage natürlich Obstlikör.

Brotzeit in Eng im Karwendel

Brotzeit in Eng

Tag 3: Die schönste Hütte: Das Karwendelhaus

Um 6.30 Uhr wurden wir von 200 Kuhglocken geweckt, die gefühlt durch unser Schlafzimmer liefen um auf eine Weide getrieben zu werden.

Es gab drei Gründe für morgendliche Euphorie:

1. Die Klamotten waren alle weitestgehend trocken

2. Draußen hat es „nur“ noch genieselt und

3. Es war ein weiteres Stück geräucherter Schinken vom Vortag übrig

Viehtrieb in Eng im Karwendel

Viehtrieb „durchs Schlafzimmer“ in Eng

Eine gute Grundlage war nicht verkehrt, da wir ja die versäumte Strecke vom Vortag aufholen mussten. Die Umgebung auf dem Weg zur Falkenhütte ähnelte wirklich einem Märchenwald. Der Bayerische Wald in allen Ehren, aber diese saftig grünen Bäume, die geheimnisvollen Felsen und die verspielten Bachläufe machten den Wanderpfad zu einem besonderen Erlebnis. Besonders beeindruckend waren die bis zu 700m hohen Laliderer Wände, die sich wie eine Mauer entlang unseres Weges aufstellten und ein wunderbares Echo u.a. unseres guten Ohrwurms widerhallten.

Märchenwald Karwendel

Märchenwald Karwendel

Nach der Überquerung des Spielissjoch erreichten wir die Falkenhütte, wo uns statt einer Übernachtung ein leckerer Apfelstrudel zur Stärkung für die weitere Wanderung erwartete. Es hat zwar nicht mehr so stark geregnet, eine Aussicht war uns leider trotzdem nicht gegönnt. Dafür gab es auf dem Weg zur nächsten Hütte am Kleinen Ahornboden (1399m) beeindruckende, alte und knochige Bäume zu sehen.

Das Karwendelhaus

Das Karwendelhaus

Terrasse am Karwendelhaus

Am nächsten Tag vor der Weiterwanderung: Gruppenfoto auf der Terrasse am Karwendelhaus

 

Weiter ging es talaufwärts bis zum spektakulär gelegenen Karwendelhaus (1771m). Die 1909 errichtete Hütte war mit Abstand die urigste – wunderschön rustikal. Wir wurden sehr freundlich empfangen und hinter alten Türen in einen hochmodernen Trockenraum geleitet – genau das Richtige für uns! Beim Abendessen gesellte sich der Wirt an jeden Tisch und klärte alle Gäste mit einem Tablet über die genaue Wettervorhersage auf. Bei dem Regenwetter konnten wir unmöglich den bevorstehenden Klettersteig überqueren, aber die Vorhersage machte uns etwas Hoffnung auf den nächsten Tag.

Nächstes Etappen-Ziel: Die Hochlandhütte

Nächstes Etappen-Ziel: Die Hochlandhütte

Tag 4 im Karwendel: Schweißtreibender Klettersteig mit Happy End

„Gibt es blauen Himmel?“ – Jaaaa, ihn gibt es wirklich noch! Wie haben es nur die beiden norwegischen Surfer von der E.O.F.T. geschafft, ein paar Monate ohne einen einzigen Sonnenstrahl auszukommen??  Das Freudengefühl nach dem Wiedersehen war wohl das Gleiche, ob nun nach zwei Tagen oder vier Monaten.

Unserem nächsten Ziel stand also nichts im Wege – oder doch? Immerhin war für den heutigen Pfad Trittsicherheit und alpine Erfahrung gefordert und unsere Beine waren ohnehin schon müde von den Auf und Abs der letzten Tage. Aber die Sonne schien und wir waren motiviert, die nächste Etappe unserer Tour anzupacken.

 

Schafe im Karwendel

Die weißen Punkte sind von Weitem kaum zu identifizieren: Schafe im Karwendel

Mit einem tollen Ausblick ins Tal startete unser Weg. Konzentration war gefordert über schmale, felsige und wurzelige Wege.

Zwischendurch ging es über steile Wiesen, auf denen der Schäfer seine vielen Schafe hütete, bis wir dann schließlich den Klettersteig erreichten.

Klettersteig zur Hochlandhütte im Karwendel

Klettersteig zur Hochlandhütte

Ohne besondere Ausrüstung hangelten wir uns entlang des Drahtseils. Dem Wetter sei Dank, denn auf feuchten Steinen wäre der schmale Steig zu gefährlich gewesen.  Nach dem wohl risikoreichsten Part unserer Tour folgte der wohl anstrengendste:

Um den Wörnersattel (2000m) zu überqueren mussten wir kilometerweit durch Schotter aufsteigen.

 

Über Schotter und Geröll zur Hochlandhütte

Der wohl anstrengendste Aufstieg: Über Schotter und Geröll zur Hochlandhütte

Zum ersten Mal brauchten wir für eine Strecke viel länger als eingerechnet – vielleicht aber auch, weil wir häufig Pausen für die tolle Aussicht und die steile Felswand hinlegten.

Wo wir da eigentlich entlang gekraxelt sind und dass dort überhaupt ein Weg war – kaum vorstellbar.

Im Sonnenschein an der Hochlandhütte

Erschöpft vom letzten Aufstieg sitzen wir zufrieden im Sonnenschein an der Hochlandhütte.

Bei Sonnenschein haben wir die Hochlandhütte (1632m) erreicht. Wie Gerlinde Kaltenbrunner sagt, ist jede Tour erst erfolgreich beendet, wenn alle heil unten am Berg angekommen sind. Wir waren aber auch schon stolz auf unser Durchhaltevermögen der letzten sieben Stunden und hatten so einen guten Grund darauf anzustoßen. Die Hütte war sehr klein und viel günstiger als die anderen Hütten (ursprünglich dachte ich, alle DAV – Hütten haben gleiche Übernachtungspreise).

Hubschrauber an der Hochlandhütte

Gleich 2 Hubschrauber Kreisen an der Hochlandhütte: Ein Rettungshubschrauber und ein Verpflegungshubschrauber

Aber allein die Transportkosten und somit die Lebensmittelauswahl unterscheiden sich je nach Erreichbarkeit. Die Wirtin erklärte uns, dass wir grade im Moment den Lebensmittelhubschrauber verpasst haben, der nur dreimal pro Saison vorbeikommt.

Als wäre das nicht aufregend genug, entdeckten andere Gäste mit den Ferngläsern einen Bergsteiger, der wohl Hilferufe sendete. Daraufhin kam der Notarzthubschrauber vorbei und versuchte eine Rettungsaktion. Was letztendlich aus der Rettungsaktion wurde, haben wir jedoch nicht mehr erfahren.

Gestärkt mit einem guten Bergsteiger-Eintopf wurde der perfekte Sonnenuntergang mit Blick auf die Zugspitze von Tenor Franz und Supranistin Hannah begleitet – immerhin sind wir schon seit dem ersten Hütten-Erlebnis in Volksliedstimmung. 🙂

Tag 5 im Karwendel: Abstieg und Abschied nehmen

Ich bin kein Fan von Abstiegen, denn Abstieg bedeutet Abschied. Außerdem hassen mich meine Knie für die Belastung. Als Entschädigung bekamen wir zumindest noch schöne Wasserfälle und Bachläufe zu sehen, was die letzten zweieinhalb Stunden Wanderung dennoch bereicherten.

Wasserfall beim Abstieg von der Hochlandhütte

Wasserfall beim Abstieg von der Hochlandhütte

Der Abstieg von der Hochlandhütte entlang des Gebirgsflusses

Der Abstieg von der Hochlandhütte entlang des Gebirgsflusses

Auch wenn der Abschied der Berge und der netten Truppe etwas schwer fiel, muss ich sagen, dass der Zeitraum für die erste mehrtägige Tour völlig ausreichte. Es hätte aber auch keinen Tag kürzer sein dürfen, sonst hätten wir den krönenden Abschluss mit Sonnenschein verpasst und wir hätten ewig die vielen Regenstunden in Erinnerung behalten.

Etwas Gutes hatte das Sauwetter trotzdem: Endlich bin ich dank der nassen Herausforderung nicht länger als Schön-Wetter-Wanderin unterwegs. Wir uns vom Regen keine Sekunde unseren Spaß und unsere Motivation nehmen lassen (beim falschen Abstieg waren wir nur hart an der Grenze ;-)).

Ich freue mich also schon auf den nächsten Alpenbesuch, und dieser lässt bestimmt keine zehn Jahre mehr auf sich warten! Beim nächsten Mal werden dann aber auch die Gipfel mitgenommen, was dieses Mal aufgrund des Gewitters, der schlechten Sicht und am letzten Tag wegen der müden Beine nach dem Klettersteig leider nicht klappen wollte.

 

 

 

 

 

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5 Kommentare

  1. Oh nein, gleich am Anfang so ein „Verlaufer“. Toll, dass der und auch das mäßige Wetter euch diese Tour letztlich nicht verleiden konnten. Bis bald mal, in den Alpen oder im Bayerischen Wald. Viele Grüße nach Passau!

  2. Hallo Simone! Bin via Google auf deinen Blog gestoßen, da ich mich auch sehr für das Thema Outdoor interessiere. Auf meinem Blog habe ich einige Schlafsäcke zusammengestellt, die ich für gut befunden habe. Freue mich, von dir zu hören! Viele Grüße, Markus

    • Hallo Markus,
      freut mich, dass du auch so gerne outdoor-mäßig unterwegs bist 🙂
      Ich hoffe du verstehst, dass ich meinen Blog nicht für Werbung missbrauchen will – sonst würde ich selbst welche schalten und Links zu Amazon setzen.
      Viel Erfog mit den Schlafsäcken.
      LG
      Simone

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