Außergewöhnliches, Rheinland-Pfalz
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Worscht, Wandern un Woi in Rheinhessen

Wer hätte gedacht, dass sich aus einem spontanen Weinmesse-Besuch ein neues Wanderziel entpuppt?

Auf der Weinmesse „KölnWein“ im Gürzenich kam ich mit Lukas vom Johanneshof Becker in Rheinhessen ins Gespräch. Er selbst geht noch zur Schule und hilft ab und an im Familienbetrieb mit aus. Kaum 2 Wochen nach der Messe und ein paar Mails mit Lukas später beginnt die Reise nach Gau Odernheim.

Gute zweieinhalb Stunden fahre ich mit dem Auto bis in die Weinregion, die sich südlich von Mainz befindet. Der erste Eindruck: Wein, weite Felder und viele Windräder, die den Himmel bei der nächtlichen Ankunft rot aufleuchten lassen.

Deutschlandurlaub. Macht man eigentlich viel zu selten. Der Check-In in die AirBnB-Wohnung Petershof in Wintersheim läuft reibungslos, und die Unterkunft ist genauso, wie ich sie mir für diesen Kurztrip vorgestellt habe: Ein altes Bauernhaus mit knarrendem Holzboden, niedrigen Decken und einem schönen Ausblick in einen verschlafenen Innenhof. Abends entspannen, morgens ausschlafen, und nach dem Frühstück schauen, was die Gegend zu bieten hat.

Rheinhessen. Hat erstmal gar nichts (mehr) mit Hessen zu tun, sondern liegt in Rheinland-Pfalz und ist heute mit 26.563 ha das größte Weinbaugebiet Deutschlands.

18 ha davon bewirtschaftet Axel mit seiner Familie und einem Festangestellten, angefangen vor über 100 Jahren. Einst war der Betrieb ein Gemischtbetrieb. Er wurde jedoch vor ungefähr 30 Jahren komplett auf Weinbau umgestellt.

Der Petersberg in Rheinhessen – Wein und Wandern

Für eine kleine Weinwanderung zieht es uns auf den Petersberg. Der Petersberg ist mit 245,6 Metern wohl die spannendste Erhebung in der nahen Umgebung:

Wegbeschilderung auf dem Petersberg in Rheinhessen

Hinauf zum Petersberg: Vorbei an Weinreben bis zur Ruine.

1) Hier wächst die Weintraube. Die Reben sind zwar fast alle zurückgeschnitten und es sind noch keine Trauben zu erkennen; dafür aber ein paar Knospen. Es ist super interessant hier zu stehen, zu sehen und zu erfahren, welche Prozesse und klitzekleinen Einflüsse bei der Weinproduktion eine Rolle spielen. Natürlich ist das Wetter nicht unwichtig und die Sonneneinstrahlung. Die Kalkstein- und Lössböden am Petersberg geben dem Wein hier seine Besonderheit und selbst die Menge an Unkraut zwischen den Reben ist entscheidend. Immerhin herrscht zwischen den vielen Pflanzen Konkurrenz wenn es um die Bewässerung geht.

Knospen an der Weinrebe: Weinanbau Petersberg,

Bisher sind nur Knospen an den Weinstöcken zu erkennen. Die Trauben lassen noch auf sich warten.

2) Man erblickt bei gutem Wetter sogar die Frankfurter Skyline, die immerhin gute 50 Kilometer Luftlinie vom Petersberg entfernt ist.

3) Auf dem Gipfel befindet sich die Ruine der St. Peter-Kirche aus dem 10. Jahrhundert. 1877 wurde sie bei Ausgrabungsarbeiten entdeckt und seit 1947 ist sie freigelegt. In den letzten Jahren wurde diese Ruine teilweise restauriert und man kann nun einen Eindruck davon gewinnen, wo die Kirche einmal gestanden hat.

4) Hier wachsen im Frühjahr Wildtulpen, die unter Artenschutz stehen; die größte Anzahl an Wildtulpen nördlich der Alpen um genau zu sagen. Aber Vorsicht, zwischen dem ganzen Löwenzahn muss man ganz schön genau hinschauen. Wenn man die Wildtulpen einmal entdeckt, ist es erstaunlich, wie viele es doch sind und wie wenig die Blätter mit dem holländischen Supermarkt-Produkt gemein haben.

Wildtulpen in Rheinhessen

Unter Naturschutz: Wildtulpen in Rheinhessen

Nachdem wir uns die Weinberge angeschaut haben, kehren wir zum Johanneshof zurück und schauen uns den Weinkeller mit den Stahltanks, großen Holzfässern und den nur 225 Litern umfassenden Barriquefässern an. Im 3000-Seelendorf Gau-Odernheim ist er übrigens einer von 20!! Winzern!

Barrique, Weinkeller Johanneshof Becker, Rheinhessen

Im Weinkeller des Johanneshof Becker: Hier wird der Rotwein je Barrique circa 1,5 Jahre gelagert

Die Weinverköstigung macht es nicht leicht, sich für ein paar gute Weine zu entscheiden. Eigentlich trinke ich sehr gerne Rotwein, aber hier überzeugen mich die Weißen: Grauer Burgunder, Weißer Burgunder und etwas ganz Verrücktes: Ein Cabernet Blanc mit der stark ausgeprägten Aromatik von Stachelbeere, Paprika & Holunder!

Weck, Worscht un Woi – Die Straußwirtschaft

Anschließend zieht es uns ganz traditionell in eine Straußwirtschaft zum Essen. Straußwirtschaft war mir vorher gar kein richtiger Begriff: Es ist eine von Winzern betrieben Gastwirtschaft, die jedes Jahr für 3 Monate den eigenen Wein, Getränke und sehr deftiges Essen serviert. Früher wurde ein Blumenstrauß an die Tür gehängt, um anzuzeigen, dass die Wirtschaft geöffnet war, daher der Name.

Die meisten Straußwirtschaften öffnen erst im Sommer. Es war also gar nicht so einfach, eine geöffnete Wirtschaft zu finden. Die Familie Becker war so nett und hat uns dabei unter die Arme gegriffen. Die Speisekarte im regionalen Dialekt konnten wir zum Glück gerade so alleine verstehen 😀

Fazit zum Weinwochenende in Rheinhessen

Abwechslungsreich & ideal für einen Kurztrip! Dafür kann ich einen Besuch der Weinregion Rheinhessen und / oder dem Johanneshof Becker empfehlen. Um auch noch in „richtigen“ Wandergenuss zu kommen kann man auf dem Weg von oder nach Köln einen Zwischenstopp auf einem der Traumpfade in der Moselregion einlegen. Dazu gibt es im nächsten Bericht mehr! 🙂

Obstbäume in Gau Odersheim, Rheinhessen

Keine Berge, dafür viel Wein & Obstbäume

Wissenswertes für einen Kurzurlaub in Rheinhessen

  1. Wein trinken kann man hier super und der Weinanbau ist in Kombination mit einem kleinen Naturausflug wirklich sehenswert. Für ambitionierte Wanderer, die in ein Weingebiet wollen wäre jedoch die Pfalz oder das Ahrtal die richtige Adresse.
  2. Ich bin erstaunt, wie unkompliziert und selbstverständlich es hier ist, den Wein vom Weingut zu probieren. Aus der Stadt sind mir nur teure Weinproben bekannt. Das Probieren und ausführliche Informieren gehört hier zum Einkauf dazu und bedarf einer einfachen Terminabsprache.
  3. „Weck, Worscht un Woi“ Uriger als in einer Straußwirtschaft kann man die Rheinhessische Küche nicht kennenlernen. Eine Übersicht über geöffnete Wirtschaften gibt es hier.
  4. Die Gegend ist super ländlich und entsprechend findet man nicht in jedem Ort eine Einkehrmöglichkeit oder einen Supermarkt. Besser vorher Informieren bzw. immer genug Wasser einpacken, wenn man das Haus verlässt.
  5. Wer demnächst auch einmal die Weinregion um den Petersberg besuchen möchte, kann sich dieses Weinwander-Event schon einmal vormerken:

Pfingsten / 05. Juni 2017 – Bechtolsheimer Weinwanderung: Wein und Speisen auf dem Petersberg

Grüne Felder & blauer Himmel in Rheinhessen

Grüne Felder & blauer Himmel in Rheinhessen

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